Es war der 01.01.1984, nur wenige Stunden nachdem das neue Jahr begonnen hatte – tatsächlich hatte die Sonne ihre Strahlen noch nicht über den östlichen Horizont erhoben können – als Ephraim Hadani auf die Welt kam. Seine Eltern hatten ihn durchaus erwartet, jedoch eigentlich erst drei Wochen später, weswegen die am Abend des 31. Dezembers 1983 plötzlich einsetzenden Wehen etwas überraschend kamen. Auch Jahre später noch machte sein Vater des öfteren Witze darüber, dass sein jüngster Sohn sich angeblich ihn jenen ersten Stunden nicht gedulden habe können.
Nach nur 37 Wochen im Mutterleib galt er zwar offiziell noch als Frühchen, doch zum großen Glück der Familie, fielen die Komplikationen relativ gering aus. Zwar musste der kleine Junge die ersten paar Wochen im Krankenhaus verbringen, doch als es endlich nach Hause ging schien das Glück vorerst perfekt.
Ephraim lernte – auch wenn er sich natürlich nicht mehr daran erinnern kann, immerhin war er gerade einmal ein paar Wochen alt – seine beiden älteren Geschwister kennen. Die ersten Jahre seines Lebens verliefen spektakulär unspektakulär. Von den immer mal wieder auftretenden Streitereien mit seinen Geschwistern, an denen auch die strengen Worte ihres Vaters nichts ändern konnten, abgesehen war das Leben in London recht friedlich für die Fünfköpfige Familie.
Mr. Hadani hatte schon immer ganz genaue Vorstellungen davon, was aus seinen Kindern einmal werden sollte und so war ihm neben dem schulischen Erfolg auch der Glaube sehr wichtig. In der jüdischen Gemeinschaft, in der sie lebten engagierte er sich schon seit vielen Jahren eifrig und war deswegen immer wieder bei anderen Familien eingeladen. Mal zum Kaffeetrinken, mal zum Abendessen. Allerdings waren es die Ben-Haims, mit denen er sich am besten Verstand, was zunächst zu monatlichen gemeinsamen Abendessen führte, bei denen beide Familien vollständig anwesend waren und schließlich sogar das gemeinsame Feiern Chanukkas mit sich brachte. Wenn Ephraim so darüber nachdenkt, dann kann er sich eigentlich an kein Chanukka erinnern, dass er nicht mit der anderen Familie verbrachte – zumindest nicht bis zu seinem 16. Lebensjahr.
Es dauerte nicht lange bis er sich mit dem ältesten Sohn er Familie Ben-Haim angefreundet hatte. Die beiden hatten zwar nur einen Altersunterschied von 8 Monaten, doch Ephraim, der nie einen richtigen kleinen Bruder gehabt hatte, war erpicht darauf Isaiah eben diesen Altersunterschied nie vergessen zu lassen. Auch heute noch macht er manchmal Witze darüber. Auch wenn sie zur Zeit nur durch Soziale Medien und vor allem Emails Kontakt pflegen.
Als Ephraim eingeschult wurde, bekam sein bis dahin nahezu perfektes Leben jedoch einen Dämpfer. Es wurde schnell offensichtlich, dass seine schulischen Leistungen nicht ganz so waren, wie sein zielstrebiger Vater es sich von seinem jüngsten Sohn erhoffte. Zwar erzielte er im Mündlichen ganz passable Noten, doch wann immer es um schriftliche Leistungsnachweise ging, wiesen die Ergebnisse deutliche Defizite auf.
Sein Vater war der Meinung es würde daran liegen, dass Ephraim schlichtweg zu schnell arbeitete, sich Fragestellungen nicht richtig durchlas oder Flüchtigkeitsfehler machte, doch der Junge wusste, dass dem nicht so war. Er konnte sich nicht erklären woher die Fehler, die er selbst meist erst wahr nahm,wenn man ihn darauf hinwies, stammten. Es war auch nicht so, als wäre er faul. Ganz im Gegenteil. Er verbrachte viele Stunden am Tag über seinen Hausaufgaben, bemüht so wenige Fehler wie möglich zu machen. Meist blieben seinen Anstrengungen jedoch fruchtlos.
Zur Schule zu gehen war als kleines Kind immer ein Traum von ihm gewesen, da er unbedingt so wie seine Geschwister hatte sein wollen, doch schon bald entwickelte es sich zu seinem persönlichen Albtraum. Er war es leid immer und immer wieder zu versagen. Und doch wusste er, dass nicht zu Schule zu gehen auch keine Lösung war. Also biss er die Zähne zusammen und gab sein Bestes. Wobei sein Bestes nur selten gut genug war.
Es war zum verrückt werden. Immerhin wusste Ephraim, dass er nicht dumm war. Auch wenn seine Schulnoten häufig genau das andeuteten. Auch zuhause wurde die Luft durch die schlechten Noten immer dicker. Der junge konnte förmlich spüren, wie sein Vater langsam aber sicher immer enttäuschter von ihm wurde. Mit jeder F und jedem D das er nach Hause brachte, schienen die beiden sich ein wenig mehr von einander zu entfremden.
Mit 13 Jahren trat er, in der Hoffnung sich ein paar Bonuspunkte dazu zu verdienen dem Schulchor sowie dem Schultheater bei. Beide Gruppen wurden von der gleichen Lehrerin geleitet. Die junge Frau war erst vor kurzem nach England gezogen und hatte früher selbst in Amerika studiert. Sie war es auch, die Ephraims Potential entdeckte.
Sie war sich sicher, dass aus dem Jungen einmal etwas werden könnte, wenn man ihn an den richtigen Stellen fördern würde. So empfahl sie zunächst seinen Eltern, ihm Gesangsstunden zu empfehlen.
Bald darauf schon setzte sie sich wegen eines anderen Anliegens mit ihnen auseinander. Sie war es die Familie Hadani von CAPA – Philadelphia High School for Creative and Performing Arts – erzählte. Sie war selbst dort zur Schule gegangen und bot den Eltern an, sich mit der Schule in Verbindung zu setzen. Anfangs waren Ephraims Eltern nicht sicher, ob sie das Angebot annehmen sollten. Immerhin würde das bedeuten, dass sie ihren Sohn nach Amerika schicken würden. Ganz alleine über den großen Teich. Doch je mehr Zeit verging, desto deutlicher wurde ihnen bewusst, wie glücklich ihr Sohn mit seinen Außerschulischen Aktivitäten war. Also willigten sie ein.
Es dauerte länger als ein Jahr. Doch schließlich hatte Ephraim einen Stipendiumsplatz für CAPA ergattert. Zudem wurde er in einer betreuten Wohnanlage untergebracht. Er war 15 Jahre alt, als die Reise nach Amerika losging. Seine Mutter begleitete ihn auf seinem ersten Flug, da weder sie noch er von dem Gedanken begeistert waren ihn ganz alleine zu schicken.
Tatsächlich war das ganze jedoch nur wegen einer Tatsache möglich. Ephraims Vater war, obwohl er selbst britische Eltern hatte, auf amerikanischen Boden geboren worden und hatte deswegen von Geburt an amerikanische Staatsbürgerschaft inne. Dies ermöglichte Ephraim direkt eine Greencard beantragen zu können ohne zuvor ein Visum haben zu müssen.
In CAPA spezialisierte Ephraim sich zunächst auf Theater wobei er sich ebenso für Vocal Music interessierte und dies somit als Nebenfach wählte. Allerdings wurde auch an dieser Schule schnell bemerkt, dass seine Mündlichen Noten weitaus besser waren, als seine Schriftlichen. Dies führte dazu, dass er nach ein paar Monaten auf raten seines Betreuers getestet und schließlich mit Dyslexie diagnostiziert wurde.
Als Ephraim von der Diagnose erfuhr fühlte er sich, als würde ihm eine Last von den Schultern gehoben worden. Er wusste endlich woran es lag, dass er sich nicht auf schriftliche Dinge konzentrieren konnte. Er hatte endlich den Beweis, dass er tatsächlich nicht dumm war.
Ab dem Moment schienen die nächsten Jahre wie im Flug zu vergehen. Er machte seinen Abschluss, ergatterte einen Platz an der American Musical and Dramatic Academy und zog nach New York City. Mit 21 hatte er genug Zeit auf amerikanischen Boden verbracht um sich für die Staatsbürgerschaft zu bewerben. Natürlich, damals als er mit 15 in dieses fremde Land gezogen war, hatte er starkes Heimweh gehabt, er hatte nicht gewusst, ob er seinen Weg wirklich gehen könnte, oder ob er vielleicht doch nach Hause zurück kehren würde. Doch nach über fünf Jahren in den Staaten war ihm bewusst, dass sich Amerika ebenso zu seinem Zuhause entwickelt hatte. Bald darauf machte er seinen Abschluss und begann seine Darsteller-Karriere.
Zu Beginn waren es nur kleine Rollen in und um New York City. Aber es ging ihm auch nie darum berühmt zu werden. Er wollte lediglich seiner Leidenschaft nachgehen. Inzwischen kann er nicht mehr sagen, auf wie vielen Castings er war oder wie oft er Absagen erhalten hat. Wie häufig er auf Jobs, wie Kellnern oder dem Geben von Gesangsstunden ausweichen musste um sich über Wasser zu halten. Doch nun im alter von 35 Jahren kann er immerhin von sich behaupten bereits mehrmals am Broadways zu sehen gewesen sein. Zwar war nur eine dieser Rollen wirklich groß, doch alleine die Tatsache, dass er es so weit geschafft hat, erfüllt ihn mit stolz.
Inzwischen ist er auf dem Weg zurück nach London. Vielleicht wird er sentimental, aber es zieht in in seine erste Heimat. Immerhin hat auch London einige Theater und wer weiß, vielleicht kann er ja den ein oder anderen Job ergattern. Bisher, hat er noch keinem seiner Liebsten etwas, von seinem Umzug erzählt, sie werden es schon früh genug merken.